Strom- und Gassperren: Ministerin will Verbraucher mit Moratorium schützen

Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne)
Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) will Gas- und Stromsperren abwenden. © Sebastian Willnow/dpa
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Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke will Bürgerinnen und Bürger vor Strom- und Gassperren bei Zahlungsverzug bewahren, sollten Preisgarantien seitens der Versorger nicht eingehalten werden können. Angesichts der drohenden Zuspitzung der Energiekrise mehren sich zudem Rufe nach weiteren Entlastungen für die Verbraucher, für die sich Vertreter von SPD, Grünen und Linken aussprachen. Aus Sicht der FDP dagegen sollte der Staat nicht jede Kostenerhöhung in der Krise ausgleichen.

Niemandem darf der Strom oder das Gas abgestellt werden

„Es kann passieren, dass die Bundesnetzagentur im absoluten Krisenfall Energieunternehmen erlaubt, gestiegene Preise trotz Preisgarantie an die Verbraucher weiterzugeben“, sagte Lemke der „Bild am Sonntag“. Sollte es dazu kommen, bräuchte es ein Moratorium für Strom- und Gassperren. Einerseits müsse sichergestellt werden, dass die Versorger die Energieversorgung im Land aufrechterhalten könnten, sagte Lemke. „Und andererseits darf niemandem in solch einer Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit einer Rechnung in Verzug ist.“

Lemke brachte für den „Krisenfall“ ein weiteres Hilfspaket ins Spiel, ohne detaillierter auf ihre Vorstellungen einzugehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nannte als mögliches Mittel zur Entlastung der Verbraucher das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützte Konzept eines Energiepreis-Deckels für einen Grundbedarf an Strom und Gas.

„Ich finde die Idee interessant, insbesondere Menschen mit geringen Einkommen ein subventioniertes Energie-Grundbudget zu einem gedeckelten Preis anzubieten“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Was darüber hinausgeht, müsste dann mit einem höheren Preis bezahlt werden. Das wäre ein intelligenter Weg, finanzielle Entlastungen mit dem Kampf gegen den Klimawandel zu verbinden.“

Weitere Entlastungen müssten beschlossen werden

Weil appellierte an den Bund, noch in diesem Jahr weitere Entlastungen für Verbraucher zu beschließen. „Ich glaube nicht, dass es sich durchhalten lässt, über weitere Schritte erst im nächsten Jahr nachzudenken. Der Druck steigt von Woche zu Woche“, sagte Weil.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt erklärt, er wolle ein drittes Entlastungspaket erst 2023 schnüren. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sagte: „Selbstverständlich wollen wir Menschen in diesen Krisenzeiten unterstützen. Das von Weil vorgeschlagene Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ führt allerdings in die Irre. Sinnvoller ist es, wenn der Staat den Menschen weniger nimmt statt mehr zu verteilen.“

FDP ziert sich

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verwies im „Spiegel“-Interview auf die beiden milliardenschweren Entlastungspakete, die die Ampel-Koalition bereits geschnürt hat. Deren entlastende Maßnahmen müssten nun erst einmal vollumfänglich greifen. „Klar ist: Der Staat kann nicht jede Kostenerhöhung in der Krise ausgleichen“, sagte er.

In offensichtlicher Anspielung auf die FDP rief der Vize der Grünen-Fraktion im Bundestag, Andreas Audretsch, die Koalitionspartner zu Kompromissen auf. Genau wie die Grünen „unter Schmerzen, aber in Verantwortung für die aktuelle Lage“ Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen, um die Versorgung zu sichern, müsse in der Ampel über eine gerechtere Verteilung der Lasten gesprochen werden, sagte er dem „Handelsblatt“. Die Reichsten im Land müssten etwas abgeben müssen, „um den sozialen Frieden zu sichern“.

Wärmeräume für Ältere?

Eine Unterstützung einkommensschwacher Haushalte schwebt auch Linke-Parteichef Martin Schirdewan vor. Er forderte im Gespräch mit der Funke Mediengruppe einen „sozialen Klimabonus“ von 125 Euro pro Monat plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus, „damit die Leute im nächsten Winter noch heizen und Fernsehen gucken können“. Finanziert werden solle dies durch eine Übergewinnsteuer.

Der Städte- und Gemeindebund brachte angesichts der Lage die Einrichtung von Wärmeräumen ins Spiel. „Da niemand genau sagen kann, wie dramatisch die Entwicklung sein wird, sollte auch überlegt werden, Wärmeinseln oder Wärmeräume vorzusehen, wo sich insbesondere ältere Menschen auch bei einem sehr kalten Winter aufhalten können“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Bild am Sonntag“.

dpa

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