
Trauer, Enttäuschung – und ein sorgenvoller Blick in die Bücher der regionalen Unternehmen: In der ohnehin krisengeplagten Stadt Gelsenkirchen drückt der Abstieg des bekanntesten Aushängeschilds Schalke 04 mit dem letzten Saisonspiel an diesem Samstag auf die Stimmung.

„Spürbar negative Auswirkungen auf die Wirtschaft“ prognostiziert der Gelsenkirchener Standortleiter der Industrie- und Handelskammer, Jochen Grütters. Dennoch: Gelsenkirchen hat die Hoffnung nicht aufgegeben. „Abstieg – das haben wir schon dreimal überstanden, es wird auch einen vierten Aufstieg geben“, sagt Grütters.
Weniger Zuschauer, weniger Hotelgäste, weniger Restaurantbesuche
Für die nächste Zeit muss sich die Stadt auf deutlich weniger Zuschauer im 61 000 Besucher fassenden Stadion einstellen, auf weniger Hotelgäste und weniger Restaurantbesuche von Fans aus dem In- und Ausland: Die unmittelbaren Einbußen betrügen sicher mehrere Millionen Euro im Jahr, sagt Grütters.
Dass damit Gewerbesteuereinnahmen fehlen, sei klar, aber möglicherweise noch nicht einmal die schlimmste Konsequenz, sagt Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD). „Rein finanziell ist der Schaden begrenzbar, das wird uns nicht umbringen, aber Schalke ist ein Identifikationsstifter, der soziale Kitt in einer extrem heterogenen Stadt.“

Gelsenkirchen hat bundesweit unter den Großstädten mit Abstand die höchsten Arbeitslosenzahlen mit aktuell weit über 15 Prozent und ist trauriger Spitzenreiter bei der Kinderarmut mit 41,5 Prozent Kindern in Familien mit Hartz-IV-Bezug (2019).
Die Stadt ist nicht umsonst weltweit zum Symbol für die harte Arbeit der Kohle-Malocher geworden: In Gelsenkirchen schloss die letzte Zeche erst Ende 2008 – rund 30 Jahren nach dem Beginn der Kohle-Krise im Ruhrgebiet. Der Strukturwandel sei hier lange Zeit verschlafen worden, sagt Grütters.
Massive Leerstände im Stadtteil Schalke
Massive Leerstände insbesondere im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke sind bis heute ein Problem. Rund 150 000 Einwohner hat die Stadt seit dem Höchststand von 400.000 Menschen in den frühen 1960er Jahren verloren, jetzt ist die Zahl wieder leicht auf 265 000 gestiegen.
Verrottete Immobilien werden von Geschäftsleuten aufgekauft, die Zuwanderer vielfach aus Osteuropa dort ansiedeln. Die Stadt investiert Millionen, um deren Kinder in Kindergarten und Schule zu bringen, doch rund die Hälfte der Zuwanderer ziehen innerhalb eines Jahres schon wieder weiter. „Wir haben Menschen, die die Sozialsysteme nachhaltig und bewusst belasten“, sagt die Oberbürgermeisterin. Die „mafiösen Strukturen“ hinter diesem System müssten konsequenter bekämpft werden.
Es gibt auch Lichtblicke
Das klingt deprimierend, doch es gibt auch Lichtblicke. Die Anfang der 1990er Jahre gegründete Westfälische Hochschule hat Fuß gefasst, sie bietet Hunderte Jobs, zieht Studenten an und hat schon interessante Ausgründungen von jungen IT-Unternehmen vor allem zur Internetsicherheit gebracht. Im einstigen Arbeiter-Stadtteil Ückendorf hat die Stadt teils leerstehende Häuser aufgekauft und unternimmt große Anstrengungen, hier ein neues „Kreativ-Quartier“ mit Kultur- und Bildungsangeboten aufzubauen. „Das ist für uns ein Projekt mit großer Strahlkraft“, sagte Welge.

Zwei Raffinerien von BP sind traditionell große Arbeitgeber, daneben bietet die Sicherheits- und Gebäudereinigungsfirma Stölting, die bundesweit 14.000 Menschen beschäftigt, Arbeitsplatzchancen und ein bisschen mondänen Glanz: Direkt am Rhein-Herne-Kanal hat das Unternehmen sein Hauptquartier an einem einstigen Kohlehafen aufgebaut und wirbt dort bei privaten Bootsbesitzern mit Gastronomie und allen Angeboten einer „nautischen Wohlfühloase“.