Briefwahl bei pflegebedürftigen Senioren hoch im Kurs
Für hochbetagte Senioren in Pflegeeinrichtungen gilt das Wahlrecht genauso wie für alle anderen wahlberechtigten Bürger. Nach Angaben der städtischen Pressestelle sind ca. 8420 Bürgerinnen und Bürger in Recklinghausen über 80 Jahre alt. Etwa 8130 dürfen bei der Bundestagswahl am Sonntag (26.9.) ihre Kreuze setzen. Wie aber gehen die Pflegeeinrichtungen damit um, wenn ihre Bewohner wählen möchten, körperlich aber nicht mehr in der Lage sind? Ist eine Hilfeleistung mit dem Wahlgeheimnis vereinbar?
Ja, sagen mehrere Pflegeeinrichtungen in Recklinghausen, aber es gebe Grenzen. Im Caritashaus Reginalda an der Weißenburgstraße könne ein großer Teil der Bewohner aufgrund der Pflegebedürftigkeit und des Krankheitsbildes gar nicht mehr an der Wahl teilnehmen. Für die, die es können und wollen, werde die Teilnahme möglich gemacht. „Wir beantragen für unsere Bewohner bei Wunsch die Briefwahlunterlagen. Wenn es aber um das Ausfüllen des Wahlscheins geht, dann bitten wir die Angehörigen darum, mit unseren Bewohnern in Kontakt zu treten. Das Wahlgeheimnis hat für uns oberste Priorität“, sagt Einrichtungsleiterin Christel Zynga. Es gebe auch Bewohner, die politisch nicht mehr mitwirken wollen, für die der Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten im Fernsehen befremdlich ist. „Das akzeptieren wir“, so Christel Zynga. Sie vermutet, dass etwa 40 bis 50 Prozent der 80 Bewohner des Hauses per Briefwahl gewählt hat.
50 bis 60 Prozent stimmten mit ab
Das Karl-Pawlowski-Altenzentrum an der Windthorststraße geht von 50 bis 60 Prozent der insgesamt 118 Bewohner aus, die die Möglichkeit der Briefwahl genutzt haben. „Wir haben glücklicherweise viele Angehörige, die die Wahl ernst nehmen und ihre Familien unterstützen“, sagt Leiterin Joanna-Eva Tymoszuk. „Wir haben die Wahlbenachrichtigungen an die Bewohner verteilt und in diesem Zuge erfragt, wer Unterstützung benötigt. Natürlich dürfen wir die Bewohner nicht beeinflussen. Das Brief- und Wahlgeheimnis ist im Grundgesetz verankert. Wir dürfen aber zum Beispiel eine Tochter anrufen und sie darum bitten, die anstehende Wahl als Thema des nächsten Besuchs zu nehmen.“
Die Residenz am Festspielhaus hat für ihre wahlwilligen Bewohner am kommenden Sonntag zwei Fahrten mit dem Pendelbus zum Wahlbüro in der Wolfgang-Borchert-Gesamtschule organisiert. Daneben halfen die Mitarbeiter, Briefwahlunterlagen zu beantragen. Maria Viktoria Lautsch, Leiterin des Kultur- und Veranstaltungsbüros der Residenz, habe die verschlossenen Briefwahlumschläge einmal wöchentlich dem Stadthaus übergeben. Wie viele Bewohner davon Gebrauch gemacht haben, könne sie allerdings nicht sagen.